Stereotaxie
Stereotaxie in Homburg
Das neurochirurgische Team besteht aus Prof. Grunert, der in Wien und in Mainz stereotaktische Abteilungen aufgebaut hat und auf eine über 30-jährige Erfahrung auf diesem Gebiet zurückblickt, und Frau Dr. Keiner, die als Oberärztin dieses Gebiet betreut. Zu den Neurologen, die für die präoperative Abklärung, das intraoperative Monitoring und die postoperative Nachbetreuung dieser Patienten verantwortlich sind, zählen federführend Prof. Dillmann, Leiter der Abteilung für Neurophysiologie sowie seine auf dem Gebiet der Parkinson’schen Erkrankung sehr erfahrene Mitarbeiter Dr. Bürmann und PD Dr. Spiegel.

Kontakt Stereotaxie – Neurochirurgisches Team:
Neurologisches Team
Prof. U. Dillmann
PD J. Spiegel
OA J. Bürmann
erreichbar über Parkinsonambulanz
+49 6841 16-24138
oder EMG
+49 6841 16-24116
Geschichtlicher Rückblick
Stereotaktische Eingriffe stellen in der Neurochirurgie des UKS Homburg/Saar keine neue Methode dar, sondern werden bereits seit über 50 Jahren durchgeführt. Die ersten Eingriffe mit klassischer Berechnung über eine Kontrastmittelfüllung der Hirnkammern wurden unter der neurochirurgischen Klinikleitung des Prof. Loew von Prof Dickmann in Homburg etabliert. Sein Nachfolger Prof. Ostertag führte in den 80er Jahren die CT-basierte stereotaktische Berechnung in Homburg ein und weitete das Einsatzgebiet der Stereotaxie auch auf die Tumorchirurgie aus.
Anfang der 90 Jahre hat Herr Prof. Jean RIchard Moringlane an der UKS die erste Tiefe Hirnstimulation in Deutschland für die Tremorbehandlung, mit der Unterstützung des neurochirurg. Prof. François Alesch aus Österreich durchgeführt. Diese Implantation von Elektroden ist im Volksmund als „Hirnschrittmacher“ bekannt und hat sich zwischenzeitlich als die Methode der Wahl zur Behandlung von Patienten mit medikamentös nicht einstellbarem Morbus Parkinson oder anderen Formen von Zittern durchgesetzt. Unter der Leitung von Prof. Oertel wurde 2010 die Homburger Tradition der stereotaktischen Operationen mit Umstellung der Berechnung auf gegenwärtig modernste Planungsrechner und intraoperative Mikroableitungen fortgesetzt. Seit dieser Zeit werden diese Patienten von einem Team aus Neurochirurgen und Neurologen behandelt.
Stereotaktische Operationen: Prinzip und Bestandteile
Prinzip:
In der Stereotaxie geht es darum, Kanülen oder Elektroden in tief liegende kleine Hirnstrukturen entlang eines geraden Weges mit hoher Präzision einzuführen. Der erforderliche Zielpunkt wird aus CT/ MR Schichtbildern des Patienten ermittelt und mit Hilfe eines mechanisch präzisen Apparates exakt erreicht.
Mechanische Bestandteile des Stereotaktisches System:
In der Neurochirurgie Homburg wird für diese Operationen das Riechert-Mundinger stereotaktisches System verwendet. Als Hauptkomponenten setzt sich dieses System zusammen aus:
1. Grundring: Dieser wird unverrückbar (in Narkose) am Schädel des Patienten befestigt. Er stellt ein festes Bezugsystem in alle 3 Richtungen des Raumes dar. (Abb.1).
2. Lokalisationsscheiben: Diese werden am Ring angebracht und dienen zur Berechnung der Koordinaten des Zielpunktes aus CT/MR Bildern. Dazu muss der stereotaktische Rahmen im CT mit Laser exakt parallel zur Gantry ausgerichtet werden (Abb.2).


3. Phantom oder auch Zielpunktsimulator: Der Zielpunktsimulator ist eine mechanische Vorrichtung, welche gleichsam „im Trockenen“ die Operation am Patienten nachahmt. Sie besteht aus einem Ring, der dem aufgesetzten Patientengrundring entspricht und einem Zeiger, der entlang der x, y und z-Achse verschoben werden kann und dessen Spitze exakt den Zielpunkt im Gehirn markiert. Mit dieser Vorrichtung werden der Zugang und das Erreichen des Zielpunktes kontrolliert (Abb.3).
4. Zielbügel: Dieser erlaubt eine exakte Führung der Sonde zum Zielpunkt. Der Zielbügel im Riechert-Mundinger System benutzt ein polares Koordinatensystem bestehend aus 4 Winkeln, um jeden Punkt im Gehirn zu erreichen (Abb.4).


Software:
Die Zielpunktberechnung wird an einem technisch hochentwickelten speziellen Planungsrechner vorgenommen. Dieser gestattet, die Planung des Zielpunktes im Vorfeld aus entsprechend angefertigten Kernspinbildern vorzunehmen. Dabei wird der Weg der Sonde so ausgewählt, dass das Risiko von Verletzungen wichtiger anatomischer Strukturen oder von Gefäßen minimiert wird. Am Operationstag werden die Bilder dieser MRT-basierten Planung mit aktuellen CT-Bildern, die unter stereotaktischen Bedingungen durchgeführt wurden, überlagert und der Zielort im Gehirn, wo die Elekrodenspitze oder Biopsienadel zu liegen kommen soll, auf 1 mm genau berechnet.
Stereotaktische Biopsie
Das Ziel einer stereotaktische Biopsie ist es eine Diagnose aus pathologischen Prozessen zu erstellen, bei denen eine offene Operation ein zu hohes Risiko darstellen würde. Meistens handelt es sich um tiefliegende oder multilokuläre Prozesse. Weitere Indikation stellen Lymphome dar, die bei richtiger Diagnosestellung auch ohne Operation sehr gut durch Strahlen/Chemotherapie behandelbar sind. Zahlenmäßig seltener werden entzündliche Prozesse biopsiert. Bei allen diesen Prozessen stellt die genaue Diagnose die Voraussetzung für eine weitere Behandlung durch Bestrahlung, Chemotherapie oder eine gezielte antibiotische Therapie dar. Die Aussagekraft der stereotaktischen Biopsie liegt bei Tumoren über 90 % bei einer Komplikationsrate von weniger als 5 %. Die wichtigste Komplikation besteht in einer klinisch relevante Blutung. Durch die genaue präoperative Planung des Zuganges und der Entnahmestelle ist das Risiko einer Blutung gering. Die stereotaktische Biopsie stellt ein sehr schonendes und sicheres Verfahren dar, welches seit über 30 Jahren zum neurochirurgischen Standard gehört.
In der Neurochirurgie Homburg wird bei der stereotaktischen Biopsie zuerst in Narkose der stereotaktische Grundring am Patientenschädel befestigt und CT Bilder unter stereotaktischen Bedingungen angefertigt. Diese werden auf den Planungsrechner überspielt. In den Schnittbildern wird die Entnahmestelle festgelegt und ihre genau Lage in Bezug zum aufgesetzten Grundring aus den CT/MR Bildern exakt ermittelt. Der Rechner gibt automatisch auch die Winkel an, die am Zielbügel eingestellt werden müssen, um die geplante Entnahmestelle zu erreichen.
Im Operationssaal wird der aufgesetzte stereotaktische Ring mit dem Patienten am Operationstisch befestigt. Am Phantom wird die Lage und das Erreichen der geplanten Entnahmestelle kontrolliert. Danach wird der Zielbügel auf den Patientenring übertragen. Nach Eröffnung des Schädels über ein kleines Bohrloch wird die Biopsiekanüle eingeführt. Die Kanüle ist gewölbt und nicht spitz, sodass sie beim Vorschieben das Gehirngewebe und Gefäße verdrängt aber nicht verletzt. Anschließend werden mehrere Proben aus unterschiedlicher Tiefe entlang des Kanülenweges durch den Tumor entnommen, um sich ein repräsentatives Bild über den feingeweblichen Aufbau des pathologischen Prozesses zu machen. Abbildung 5 zeigt einen Biopsiezylinder von etwa 8 mm Länge. Die Proben werden während der Operation von dem Neuropathologen untersucht und dieser erstellt eine vorläufige Diagnose. Sobald ausreichend repräsentatives Material entnommen wurde, wird die Nadel zurückgezogen und die Operation beendet. Am häufigsten handelt es sich bei der Biopsie um hirneigene Tumore sogenannte Gliome von unterschiedlicher Gutartigkeit. Typischerweise nimmt die Bösartigkeit mit wachsenden Zellzahl und Zelldichte zu. Abbildung 6 zeigt links oben die zellarme gutartige und rechts unten die bösartige zellreiche Form eines Glioms. Die endgültige Diagnose mit speziellen Färbemethoden erfordert etwa 1 Woche. Üblicherweise können die Patienten ein Tag nach der Biopsie mobilisiert werden und nach wenigen Tagen bis zum Eintreffen der endgültigen Diagnose nach Hause entlassen werden.
Mit gleicher Methode wie für die stereotaktische Biopsie beschrieben, können auch tiefliegende Zysten oder Abszesse punktiert und entleert werden.


Tiefe Hirnstimulation: Grundlagen
Grundlagen zu funktionellen stereotaktischen Eingriffen
Aus anatomischen und neurophysiologischen Untersuchungen der letzten 100 Jahre sind die Gehirnabschnitte für die Planung und Ausführung von Bewegungen sowie Verarbeitung von Wahrnehmungen wie Sehen, Hören, Tasten, Riechen und den Schmerz bekannt. Diese befinden sich in wohl definierten Abschnitten des Hirnmantels (Cortex) und in tief liegenden kleinen Schaltkernen, die über Bahnen mit den entsprechenden Arealen des Cortex oder mit dem Rückenmark verbunden sind. Die Idee der funktionellen Stereotaxie besteht darin, gezielt bestimmte kleine Schaltkerne oder Verbindungsbahnen auszuschalten, und so auf einen sehr kleinen Raum mit geringer Verletzung sehr effektiv auf die Bewegungen oder auf die Schmerzverarbeitung Einfluss zu nehmen. Die Lage dieser Schaltkerne und Bahnen ist aus speziellen anatomischen Atlanten bekannt und kann in Kernspinbildern des Patienten bestimmt werden. Da die Strukturen, die man erreichen muss sehr klein sind und von Bohnen- bis hin zur Reiskorngröße reichen, ist eine sehr genaue Berechnung und eine mechanisch äußerst präzise Einführung der Sonde zu dem gewünschten Zielpunkt notwendig. Große Bedeutung kommt dabei auch der intraoperativen Kontrolle zu. Diese erfolgt durch wiederholte Überprüfung der Elektrodenposition in Röntgenbildern, ferner durch Registrierung der Zellentladung mit Mikroelektroden und durch Beobachtung der Reizeffekte hervorgerufen durch elektrische Stimulation an der Mikroelektrodenspitze. Das stereotaktische Verfahren wurde vor 70 Jahren für Behandlung von funktionellen Störungen entwickelt und weltweit zwischenzeitlich an über 100 000 Patienten erfolgreich angewandt. Ursprünglich wurde eine kleine Läsion im Zielpunkt gesetzt. Seit etwa 20 Jahren werden nicht-destruktive und reversible Stimulationsverfahren mit implantierten Elektroden wegen der geringeren Nebenwirkungen bevorzugt. Da die Zielpunkte für die Läsion und für die Stimulation dieselben sind, muss man davon ausgehen, dass die Stimulation für die Zeit der Reizung die Aktivität oder Übertragen der Impulse unterdrückt. Auch die Berechnung hat sich zwischenzeitlich von invasiven Methoden mit Punktion und Kontrastmittelfüllung der Hirnkammern hin zu nicht invasiven CT/MR-Verfahren auf Computer-Planungsstationen weiterentwickelt.
Die Zielstrukturen hängen von der Art der Erkrankung ab. Ein wichtiger Zielpunkt zur Behandlung des reinen Zitterns (Tremor) ist der VIM Kern (Ncl. ventralis intermedius) des Thalamus. Die blaue Linie in Abbildung 7 zeigt den Zugang und die Spitze den Zielpunkt im VIM Kern des Thalamus in einem frontal Hirnschnitt. Wenn bei Morbus Parkinson neben dem Tremor auch Steifigkeit (Rigor), unkontrollierte Bewegungen (Hyperkinesen) oder Bewegungseinschränkung (Akinese) vorliegen, denn werden alle diese Symptome am wirkungsvollsten in einem kleinen Kern zwischen dem Thalamus und dem Mittelhirn ausgeschaltet, dem sog. STN (Ncl. subthalamicus).
Diese Eingriffe erfordern eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie. Dies betrifft die Auswahl der geeigneten Kandidaten, die neurologische und elektrophysiologische Testung während der Operation sowie die Nachbetreuung mit Umstellung der Medikamente und Feinjustierung der Stimulationsparameter. Am UKS wird dies durch regelmäßige wöchentliche Treffen der behandelnden Neurochirurgen und Neurologen gewährleistet.

Tiefe Hirnstimulation: Operationsablauf
Einige Tage vor der Operation wird anhand aktueller Kernspinbilder (MR) die Planung durchgeführt. Bei Morbus Parkinson müssen typischerweise beidseitig Elektroden in den Nukleus subthalamicus (STN) eingeführt werden. Die Software ermöglicht den Zielpunkt im STN in den entsprechenden Schichten darzustellen und den Zugang so zu planen, dass man Verletzung von Gefäßen oder wichtigen Hirnstrukturen vermeidet.
Am Operationstag wird zuerst in Intubationsnarkose der stereotaktischer Grundring am Patientenschädel befestigt und CT unter stereotaktischen Bedingungen gefahren. Diese CT-Bilder werden auf dem Planungsrechner mit den MR-Planungsbildern fusioniert und die Koordinate des Zielpunktes im Verhältnis zum aufgesetzten Grundring ermittelz. Gleichzeitig werden 4 Winkel und die Nadeltiefe berechnet, die auf dem Zielbügel eingestellt werden müssen, um den Zielpunkt zu erreichen.
In der Zwischenzeit wird der Patient im Operationssaal über eine Klemme am Operationstisch mit dem Grundring fixiert. Am Phantom wird kontrolliert, ob der Zielpunkt exakt erreicht wird. Danach wird der Zielbügel auf den Grundring des Patienten übertragen und ein Bohrloch gefräst. Die harte Hirnhaut wird eröffnet. Jetzt wird die Sedierung abgestellt und sobald der Patient wach ist, wird der Beatmungstubus entfernt.
Als Nächstes wird eine extrem dünne Mikroelektrode knapp vor dem Zielpunkt eingeführt. Dies ist nicht schmerzhaft, weil das Gehirn selbst keine Schmerzempfindlichkeit für sich besitzt. Die Mikroelektroden dienen zur Registrierung der elektrischen Aktivität um die Nadelspitze. Die Registrierung erfolgt in 1 mm-2 mm Schritten von 10 mm vor bis etwa 3 mm über den berechneten Zielpunkt. Der STN hat ein charakteristisches Entladungsmuster. Die Ableitung bestätigt die korrekte Lage der Mikroelektrodenspitze. Mit derselben Mikroelektrode erfolgt in jeder eingestellten Tiefe eine elektrische Reizung mit wachsender Stromstärke. Die anwesenden Neurologen registrieren für jede Einstellung den Effekt und die möglichen Nebenwirkungen. Aus der Zusammenschau aller erhobenen Daten wird die optimale Lage für die endgültige Elektrodenposition festgelegt. Nach Entfernung der Mikroelektrode wird die endgültige Elektrode eingeführt und die Lage mit Röntgen kontrolliert. Die Elektrode selbst hat an der Spitze 4 Kontakte, die beliebig gegeneinander geschaltet werden können. Dies erhöht die Flexibilität und ermöglicht eine optimale patientenangepasste Programmierung nach der Implantation. Die endgültige Elektrode wird an einer Plastikkappe, die exakt in das Bohrloch passt, befestigt. Beim Morbus Parkinson wird dann dieselbe Prozedur auf der Gegenseite durchgeführt. Dann bestehen 2 Möglichkeiten: Entweder man implantiert den Schrittmacher in gleicher Sitzung und verbindet die Elektroden über Verbindungskabeln mit dem Schrittmacher, oder man entscheidet sich einige Tage später in einem separaten Eingriff in Narkose diese Implantation des Schrittmachers durchzuführen. Der Schrittmacher wird typischer an der Brust unter die Haut unterhalb des Schlüsselbeines implantiert.



Nach der Operation kommt der Patient für 1-2 Tage auf eine neurochirurgische Station. Vor der Verlegung in die Neurologie wird eine CT- Kontrolle durchgeführt um Komplikationen auszuschließen und die Lage der Elektroden zu kontrollieren. Die Übereinstimmung der geplanten mit der aktuellen Elektrodenlage kann an der Planungsstation vorgenommen werden (Abb.10).
In der Neurologie erfolgt dann noch die Feineinstellung der Stimulationsparameter und der Patient lernt von außen mit einem eigenen Gerät den Schrittmacher ein und auszuschalten bzw. einige Stimulationsparameter nach Bedarf zu ändern.
Praktische Hinweise
1. Wann und wo wird man zur Operation aufgenommen?
Stationäre Aufnahme erfolgt in der Regel 2 Tage vor der Operation auf einer der neurochirurgischen Station NC02 und NC03 im Gebäude 90.0. Aufnahmetermin muss mit Schwester Susanne Mathieu von der neurochirurgischen Poliklinik abgestimmt werden
2. Welche Medikamente muss man wann absetzen?
Wichtig ist, dass bei der Operation die Blutgerinnung intakt ist. Aus diesem Grund müssen Blutverdünnungspräparate rechtzeitig abgesetzt oder umgestellt werden. In der Regel sollte man das ASS 5 Tage vor der Aufnahme absetzen und Marcumar sollte vom Hausarzt auf Heparin subkutan (Bauchspritze) umgestellt werden. Da der Anstieg der Gerinnungswerte individuell unterschiedlich ist, sollte vor der Aufnahme eine Blutuntersuchung mit Bestimmung des Quickwertes erfolgen.
3. Welche Parkinson-Medikamente darf man bis zur Operation einnehmen?
Um die Stimulation während des Eingriffes korrekt einschätzen zu können ist wesentlich, dass die intraoperative Reizung nicht durch Parkinson-Medikamente verfälscht wird. Die L-Dopa Präparate können im Allgemeinen wegen kürzerer Wirkdauer am längsten eingenommen werden. Die konkrete Medikation wird dem Patienten von unserem neurologischen Team rechtzeitig vor der Operation mitgeteilt.