Erkrankungen peripherer Nerven
Nervenkompressionssyndrome
Kompressionssyndrome peripherer Nerven stellen eine häufige Erkrankung dar, bei der Nerven in ihrem Verlauf in bestimmten Bereichen des Körpers durch Strukturen chronisch eingeengt werden. Das Krankheitsbild resultiert in der Regel aus einem seit längerer Zeit bestehenden Missverhältnis zwischen dem Volumen des Nervs und einer anatomischen Struktur, an welcher der Nerv verläuft. Diese mechanische Druckerhöhung auf den Nerv führt zu einer Druckschädigung. Diese äußert sich im frühen Stadium meist in Form von Kribbelmissempfindungen, die auch schmerzhaft sein können, sowie in Form eines Taubheitsgefühls im Versorgungsgebiet des Nervs. Daneben kann es vor allem in späten Stadien der Erkrankung zu Lähmungen und Muskelschwund der Muskeln kommen, die durch den Nerv versorgt werden.
Zu den häufigsten Nervenkompressionssyndromen gehören das Karpaltunnelsyndrom, das Kubitaltunnelsyndrom (Ulnarisneuropathie am Ellenbogen, „Sulcus-ulnaris-Syndrom“) im Bereich des Arms und die sogenannte Meralgie (Meralgia paraesthetica) im Bereich des Beins.
Das Karpaltunnelsyndrom stellt das häufigste Kompressionssyndrom eines peripheren Nervs dar. Zugrunde liegt ein anatomischer Engpass im Verlauf des Nervus medianus innerhalb des Karpaltunnels an der Innenseite des Handgelenks, durch den der Nerv verläuft. Typische, teils schmerzhafte Empfindungsstörungen treten an Daumen, Zeige- und Mittelfinger auf; jedoch kann die ganze Hand betroffen sein. Manchmal können auch Schmerzen in den Arm ausstrahlen. Häufig treten die Symptome nachts oder am frühen Morgen auf und bessern sich durch Ausschütteln oder Kneten der Hand.
Das Kubitaltunnelsyndrom stellt das zweithäufigste Kompressionssyndrom peripherer Nerven dar und resultiert meist aus einer Kombination von Kompression und Zug am Nervus ulnaris in seinem Verlauf am knöchernen Ellenbogen (Ulnarisrinne). Trotz der chronischen Irritation des Nervs am Ellenbogen können Symptome mitunter recht akut und innerhalb weniger Tage auftreten. Zu den Symptomen gehören ziehende Schmerzen im Bereich des Ellenbogens und des Unterarms, Kribbelmissempfindungen und/oder Taubheit von Klein- und Ringfinger. Zusätzlich kann die Feinmotorik der Hand deutlich gestört sein. Bei längerer Dauer kommt es häufig zu einer Verschmächtigung der durch den Nerv versorgten Handmuskeln.
Diagnostik
Die Diagnose wird üblicherweise anhand der klinischen Untersuchung und der Messung der Reizweiterleitung des betroffenen Nervs („Nervenmessung“) gestellt. Manchmal ist eine zusätzliche MRT-Bildgebung oder eine Ultraschalluntersuchung des Nervs erforderlich. Sollte eine konservative Therapie nicht zu einer Besserung führen oder sind die Symptome bereits sehr fortgeschritten, ist eine operative Entlastung des eingeengten Nervs erforderlich. Dies geschieht beim Karpaltunnelsyndrom durch die Spaltung des Karpalbandes und beim Kubitaltunnelsyndrom durch die Spaltung der Faserzüge, die den Ulnarisnerv in seinem Verlauf am Ellenbogen bedrängen.
Operative Behandlung
An der Klinik für Neurochirurgie des UKS werden Kompressionssyndrome sowohl mit den üblichen offenen als auch mit endoskopischen Techniken operativ behandelt. Das Karpaltunnelsyndrom und das Kubitaltunnelsyndrom werden am Standort in der Regel endoskopisch operiert. An unserer Klinik kommen hierfür die monoportale Technik nach Agee und die biportale Technik nach Chow zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms zum Einsatz. Die Operation erfolgt ambulant und in örtlicher Betäubung. Die endoskopisch assistierte Dekompression des Nervus ulnaris in sogenannter Hoffmann-Technik erfolgt ebenfalls ambulant unter einer kurzen Narkose. Für diese Operationstechniken verfügt unsere Klinik über eine langjährige klinische und wissenschaftliche Erfahrung.



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Tumoren
Im Bereich peripherer Nerven können verschiedene Tumoren entstehen. In etwa einem Drittel der Fälle handelt es sich dabei um Neurinome (auch Schwannome) sind gutartige Tumore, die abgekapselt innerhalb eines Nervs wachsen. Sie können grundsätzlich jeden peripheren Nerven betreffen und somit am ganzen Körper auftreten. Durch ihre Art des Wachstums verdrängen sie die umgebenen, nicht betroffenen Nervenfasern. In Abhängigkeit von ihrer Lage und ihrer Größe können Symptome entstehen. Die Symptome sind überwiegend mild; meist machen sie sich durch ein elektrisierendes Kribbeln bei Druck auf den betroffenen Bereich oder durch eine Schwellung bemerkbar. Mitunter werden diese Tumoren als sog. „Zufallsbefund“ im Rahmen der Abklärung unabhängig davon bestehenden Symptomen gefunden.
Identifiziert werden Tumoren peripherer Nerven in der Regel durch bildgebende Untersuchungen wie das MRT oder die Nervensonografie. Im Falle einer Größenzunahme im Verlauf oder deutlichen Beschwerden werden diese operativ entfernt.

Ziel der Operation ist die Entfernung des Nerventumors unter Erhalt der Nervenfunktion. Die Tumorentfernung erfolgt daher in der Regel in Narkose und unter mikroskopischer Sicht. Durch sog. Neuromonitoring und Mapping wird der Nerv im Rahmen der Operation auf seine Leitfähigkeit und somit auf den Funktionserhalt überprüft.

Oertel J, Tschan CA,
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Keiner D, von Pein H, Szczygielski J, Kramer A, Heimann A, Kempski O, Sommer C, Oertel J.
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Nervenverletzungen
Verletzungen peripherer Nerven sind insgesamt selten. Nervenverletzungen machen allerdings häufig eine operative Behandlung notwendig. Für die Art der Behandlung spielen die Art der Nervenverletzungen als auch Zeitpunkt und mögliche weitere Verletzungen (z.B. Knochenbrüche, Weichteiltrauma) eine Rolle. Je nach Art des Traumas ist der Nerv entweder in seiner Kontinuität erhalten mit minimaler Schädigung, inkomplett durchtrennt oder komplett durchtrennt. Je nach Ausmaß der Schädigung liegen mehr oder weniger ausgeprägte Empfindungsstörungen und Bewegungseinschränkungen aufgrund Lähmung der betroffenen Muskeln vor. In Abhängigkeit von den beteiligten Nerven kann dies zu erheblichen Behinderungen mit eingeschränkter Fähigkeit, alltägliche Bewegungen / Verrichtungen durchzuführen, einhergehen.
Neben der detaillierten Krankengeschichte und klinischen Untersuchung sind ergänzende Untersuchungen i.S. einer Bildgebung (hochauflösende MRT-Aufnahmen, Nervensonografie) sowie elektrophysiologischen Untersuchungen („Nervenmessung“). Dies dient der Analyse des Verletzungsmusters.
Das Verletzungsmuster entscheidet über die Art der operativen Behandlung. Häufig entscheidet sich während der Operation, ob ergänzende Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Diese reichen von einer Entlastung des Nervs im Falle ausgedehnter Vernarbungen mit und ohne Eröffnung der Hüllstrukturen (‚Neurolyse‘) über Nerven(teil)rekonstruktion bis zur Nerventransplantation.
Oertel J, Tschan CA, Keiner D.
Experimental Neurosurgery in Animal Models, Chapter 12: Animal models for experimental neurosurgery of peripheral and cranial nerves.
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Keiner D, Kühn JP, Huber A, Oertel J.
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Forschungsschwerpunkte
Die Klinik für Neurochirurgie legt ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung und Anwendung minimalinvasiver Operationstechniken bei verschiedenen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems. Unter diesem Aspekt werden auch mechanische Läsionen peripherer Nerven im Rahmen peripherer Nervenkompressionssyndrome erforscht.
Minimalinvasive Techniken zur Behandlung von Nervenkompressionssyndromen werden seit der Entwicklung geeigneter Instrumente und Kamerasysteme beziehungsweise Optiken Ende der 1990er-Jahre zunehmend eingesetzt. Dies wurde erst durch die fortschreitenden technischen Verbesserungen möglich. Die Arbeitsgruppe der Klinik für Neurochirurgie führte hierzu verschiedene Studien sowie Analysen zu Symptomverbesserungen, möglichen Komplikationen und Vorteilen dieser Techniken durch. Aufgrund der guten Ergebnisse minimalinvasiver Operationstechniken werden das Karpaltunnelsyndrom und das Kubitaltunnelsyndrom an der Klinik regelmäßig endoskopisch beziehungsweise endoskopisch-assistiert behandelt.
Im Rahmen der Forschungsarbeit werden zudem mögliche zukünftige Behandlungsverfahren zur Verbesserung der Neuroregeneration geschädigter peripherer Nerven sowie zur Protektion peripherer Nerven bei operativen Eingriffen untersucht. Dazu gehören neben experimentellen Studien auch Untersuchungen der Durchblutung von Nerven und Nervenhüllen auf mikroskopischer Ebene.
Ziel dieser Forschungsarbeiten ist es, die Versorgung struktureller Schädigungen peripherer Nerven künftig weiter zu verbessern.
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PD Dr. med. Dörthe Keiner
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